* 29. September 1930 in Naumburg. Student der Chemie an der Universität Leipzig. Verhaftung: 5. Oktober 1950. Verurteilung: 20. Januar 1951 vom sowjetischen Militärtribunal Dresden nach den Artikeln 58-10 und 58-11 des Strafgesetzbuches der RSFSR wegen antisowjetischer Agitation und Propaganda und Zugehörigkeit zu einer antikommunistischen Widerstandsgruppe zu 25 Jahren Freiheitsentzug im Arbeitslager. Deportation ins Zwangsarbeitslager Workuta/UdSSR. Entlassung: 28. Dezember 1953. Rehabilitierung 1994 durch den Generalstaatsanwalt der Russischen Föderation unter völliger Wiederherstellung seiner Rechte.
Belter-Gruppe
Peter Eberle
Geboren wurde ich am 26.11.1929 in Freiburg /Schlesien. Mein Abitur legte ich im Juli 1949 an der Lessingschule in Kamenz /Sachsen ab. Ich begann am 5.10.1949 an der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig das Studium der Human- und Zahnmedizin.
Am 1.11.1950 in Leipzig verhaftet, wurde ich als Mitglied der Belter-Gruppe durch ein Sowjetisches Militärtribunal in Dresden im Januar 1950 zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt und nach Workuta deportiert. Von der Universität Leipzig wurde ich im Januar 1951 wegen „Nichtbelegen und Nichtbezahlen“ von Lehrveranstaltungen exmatrikuliert.
Die Entlassung aus der Haft erfolgte am 28.12.1953 zu meinen Eltern nach Dresden. Bereits am 2. Januar 1954 flüchtete ich nach Westberlin, wo ich an der Freien Universität das Studium der Zahnmedizin wieder aufnahm. 1957 Staatsexamen und Promotion. Oktober 1957 bis Sommer 1962 Assistent und Oberassistent am Zahnärztlichen Institut der Universität Zürich. Ab Herbst 1962 bis zu meinem Ruhestand 1999 führte ich eine eigene Praxis in Linthal /Schweiz. Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder.
Peter Eberle
Werner Gumpel
Geboren wurde ich am 21.11.1930 in Buchholz/Sachsen (heute: Annaberg-Buchholz), das Abitur legte ich dort 1949 an der Anton-Günther-Oberschule ab. Schon kurz nach Kriegende 1945 war ich Mitglied des antifaschistischen Jugendausschusses in Annaberg, nach dessen Auflösung Mitglied der FDJ mit Funktionen auf der Orts- bzw. Kreisebene. Die Niederlegung der Funktionen erfolgte Ende 1948. Im nächsten Jahr, 1949, begann ich ein Studium der Zeitungswissenschaft in Leipzig, seitdem erwuchs eine offene Opposition zum SED-Regime. 1950 schloss ich mich der Gruppe Belter an.
Nach Verhaftung und Verurteilung durch die Russen zu 25 Jahren Zwangsarbeit durch ein Sowjetisches Militärtribunal und Deportation nach Workuta kam ich am 16. 10. 1955 zurück nach Deutschland. Ich floh in die Bundesrepublik und studierte Wirtschaftswissenschaften von 1956 bis 1960 an der Hochschule für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Nürnberg (heute zur Universität Erlangen gehörend). An der Universität Hamburg promovierte ich 1962zum Dr. rer. pol. und habilitierte mich 1970 an der Staatswirtschaftlichen Fakultät der Universität München. Seit April 1974 bin ich Ordinarius für Wirtschaft und Gesellschaft Südosteuropas und Vorstand des Instituts für Wirtschaft und Gesellschaft Ost- und Südosteuropas der Universität München. 1996 Emeritierung.
Ich bin Ehrendoktor der Hacettepe-Universität Ankara (Juni 1990).
Die Belter-Gruppe
Die Belter-Gruppe ist die größte und sicherlich auch wichtigste der uns bekannt gewordenen Widerstandsgruppen an der Universität Leipzig, wobei die Konstruktion der Urteile keineswegs die wahren Geschehnisse widerspiegelt. Spionage und Landesverrat sind es bestimmt nicht, die man den Studenten um Herbert Belter vorwerfen kann. Somit sind auch die hohen Urteile – ebenso wie die Verschleppung nach Rußland – keineswegs durch ihre Taten begründet. Hier entlarvt sich ein System selbst durch den Umgang mit ihm mißliebigen Jugendlichen: die russischen „Sicherheitsorgane“ erbauen ein Netz aus Gewalt und Schweigen, daß ihre ostdeutschen „Kollegen“ bereitwillig übernehmen und perfektionieren.
Bereits die ersten Wahlen zur Volkskammer der DDR am 15.10.1950 werden begleitet vom Terror gegen die, die den neuen Staat nicht kritiklos anerkennen oder anders zu denken wagten.
Chronologie
Oktober 1949.
Beurteilungen und Berichte verzeichnen die später Verhafteten durchweg als sozial engagiert. Wenn auch die Empfehlungsschreiben dem Zweck der angestrebten Immatrikulation dienten, so war ein ausgeprägtes Interesse an Politik bereits vorhanden.
Oktober 1949 – Februar 1950.
Das erste Semester wird bestimmt von massiven Umstrukturierungen. Überall entstehen jetzt FDJ- und Studiengruppen, einen besonderen Schwerpunkt bildet dabei die Studienrichtung Chemie.
Mai / Juni 1950.
Nach dem 1. Semester beginnt Herbert Belter Kontakte zum RIAS herzustellen. Zunächst wohl als private Informationsquelle gedacht, entsteht mit den massenhaft verfügbaren Broschüren das Problem der Weitergabe: ein Netzwerk entwickelt sich, in dem Kommilitonen die Informationen an ihren Fakultäten weitergeben. Der demokratische Ideenstreit soll soeben überwundene totalitäre Strukturen nicht erneut aufbrechen lassen.
Juli – September 1950.
In den Semesterferien reißen die Kontakte unter den Kommilitonen nicht ab, der Kreis der Einbezogenen wächst an. In zumindest einem Falle werden durch die Heimreise auch Informationen über die Universität hinaus weitergegeben. Eine gewisse Eigendynamik bemächtigt sich aller Beteiligten.
Oktober 1950.
Durch seine Erfolge ermutigt, versucht Belter offensiv in die Wahlvorbereitungen zum 15. Oktober 1950 einzugreifen. Zusammen mit einem Kommilitonen verteilt er in der Nacht zum 5.10. Flugblätter und Plakate und wird dabei verhaftet.
Innerhalb weniger Tage werden weitere Beteiligte verhaftet – ein Informationssystem wird zu einem Spionagering hochstilisiert. Ein gewaltiger „Erfolg“ für den russischen Geheimdienst im Kampf gegen die Feinde des neuen Arbeitern-und-Bauern-Staates. Ende Oktober 1950. Die Verdächtigen werden zunächst von der deutschen Polizei verhaftet, später jedoch dem russischen Geheimdienst übergeben und nach Dresden geschafft.
Januar 1951.
Bei der Verhandlung vor einem sowjetischen Militärtribunal – dieser Akt erfolgte im Gegensatz zur Verfassung der DDR – werden die Verhafteten einer für stalinistische Strukturen typischen Willkürjustiz unterworfen. Die Urteile stehen längst fest.
Die Verhafteten verschwinden einfach – ihre Angehörigen bleiben über ihr Schicksal im Unklaren. Nachforschungen der Eltern und Geschwister verlaufen im Sande.
Auch über Belters weiteren Weg ist auf deutschem Boden nichts bekannt. Bis in die Mitte der 50er Jahre glaubt man an eine Aufhebung des Urteils. Aber es gab keine Gnade für ihn: am 28. April 1951 wurde er vom NKWD erschossen.
Für die anderen vergehen die Jahre ohne Aussicht auf Besserung, erst nach Jahren haben sie die ersten Kontakte zu ihren Angehörigen.
Erlösung bringen erst der Tod Stalins 1953 bzw. zwei Jahre später der Besuch Adenauers in Moskau. Die letzten von ihnen treten 1955 als „Zivilinternierte“ die Heimreise an. Die Leipziger Studenten kehren heim – in die Bundesrepublik Deutschland; was sie in der DDR erwartete, ist einfach unvorstellbar.
Die Verhafteten verschwinden einfach – ihre Angehörigen bleiben über ihr Schicksal im Unklaren. Nachforschungen der Eltern und Geschwister verlaufen im Sande. |
Auch über Belters weiteren Weg ist auf deutschem Boden nichts bekannt. Bis in die Mitte der 50er Jahre glaubt man an eine Aufhebung des Urteils. Aber es gab keine Gnade für ihn: am 28. April 1951 wurde er vom NKWD erschossen. |
Für die anderen vergehen die Jahre ohne Aussicht auf Besserung, erst nach Jahren haben sie die ersten Kontakte zu ihren Angehörigen. |
Erlösung bringen erst der Tod Stalins 1953 bzw. zwei Jahre später der Besuch Adenauers in Moskau. Die letzten von ihnen treten 1955 als „Zivilinternierte“ die Heimreise an. Die Leipziger Studenten kehren heim – in die Bundesrepublik Deutschland; was sie in der DDR erwartete, ist einfach unvorstellbar. |