Die Verurteilung unserer Gruppe fand im Juli 1952 statt. Die Verhandlung an zwei Tagen war eigentlich eine Farce. Der Richter las nur aus den Verhörprotokollen vor. Auf Einwände, diese Protokolle entsprächen nicht den Tatsachen, antwortete der Richter nur: „Aber warum haben Sie unterschrieben?“ Die Qualität der Dolmetscherin wird aus folgendem Wortwechsel deutlich: Zur Person gibt ein Angeklagter wahrheitsgemäß an: „Mein Vater ist gefallen.“ – Nach geraumer Zeit kommt die Frage der Dolmetscherin: „Wohin ist Ihr Vater gefallen ?“
Eine Verteidigung der Angeklagten war nicht vorgesehen. Das Gericht verlas am Abend des zweiten Verhandlungstages die Urteile: Viermal Todesstrafe und dreimal 25 Jahre Arbeitslager.
Nach bewegendem Abschied wurden die vier zum Tode Verurteilten gesondert abgeführt. Einer von ihnen ist später in Moskau zu 20 Jahren Arbeitslager begnadigt worden. Die drei anderen sind nicht heimgekehrt.
Wir drei zu 25 Jahren Verurteilten wurden wenigstens nach dem Urteil gemeinsam in eine Zelle verbracht. Dort waren wir zusammen mit einigen 14-Jährigen, deren Strafen ihr Lebensalter bei weitem übertraf. Bei einer Umgruppierung der Insassen wurden wir leider wieder getrennt. Erst am 21. September 1952 trafen wir in der Transportzelle wieder zusammen. Der Blechwagen rollte in der Dunkelheit durch Potsdam. Durch einen schmalen Spalt an der Decke konnte man gelegentlich eine Wohnzimmerlampe leuchten sehen – aber uns trennten Welten! Auf einem mit vielen bewaffneten Soldaten abgesperrten Teil des Bahnhofs Potsdam-Wildpark mussten wir im Laufschritt in einen Waggon einsteigen, an dem zur Tarnung „Schlafwagen“ zu lesen war. Hinter den Fenstern dicke, weiße Gardinen, dahinter befanden sich dann „schwedische Gardinen“, und die Klinke an der Abteiltür fehlte innen. Irgendwo in der Nacht wurde unser Wagen an den fahrplanmäßigen D-Zug von Rostock nach Frankfurt/Oder gehängt.