Ulrich Kilger, Student der Pädagogik an der Universität Leipzig, durch ein Sowjetisches Militärtribunal in einem politischen Willkürprozess zu 25 Jahren Zwangsarbeitslager verurteilt, Lagerhaft bei Bratsk.

Am Morgen wurde gegen 6 Uhr geweckt, zwei Eimer Wasser mußten für die Morgentoilette von ca. 40 Mann reichen, mit dem Rest wurde die Baracke gesäubert. Gruppenweise zum Frühstück in der Küchenbaracke antreten, um die Suppe, einen Schrotbrei, die 750 Gramm Brotration und 27 Gramm Zucker als Tagesration in Empfang zu nehmen. Nach dem Zählappell auf der Lagerstraße Abmarsch zur Arbeit in den Wald. Zu 5 Mann untergehakt trieb man uns täglich ca. 7 km in das bewachte Arbeitsgelände, den „Weg“ konnte man als solchen kaum bezeichnen, zusätzlich war er tief verschneit und vereist, nach erneuter Zählung musste Holz gestapelt oder auf Kleinbahnloren verladen werden. Äste waren zu verbrennen oder Bäume zu fällen. Die Arbeitsnorm betrug pro Mann 1,7 Kubikmeter in Stücke gesägtes und entästetes Holz. Um einen Baum mit der Handsäge zu fällen und zu entästen, benötigt man stets drei Mann, deren Norm, dann am Arbeitstag 5,1 Kubikmeter betrug. Diese war unter den gegebenen klimatischen Bedingungen auch bei bestem Willen nicht zu schaffen. Wer die Norm nicht zu wenigstens 60% schaffte, wurde mit Essensabzug (Strafnoi) bestraft. Dies bedeutete, dass man die 27 Gramm Zucker nicht erhielt und ohne Abendessen zu Bett gehen musste. Der Brigadier schrieb verständlicherweise seinen Freunden mehr als 60% auf, dafür gaben ihm diese als „Paketempfänger“ stets daraus Teile der Sendung ab. Wir Deutschen durften nicht schreiben und erhielten darum auch keine Pakete. Deswegen blieben für uns häufig nur weniger als 60% Normerfüllung. Am Mittag war eine kurze Pause, während derer man seine am Körper getragene „Paike“ Brot aufaß, die trotzdem angefroren sein konnte. Warmverpflegung wurde im Winter nicht in den Wald gebracht. Bei Dunkelwerden trieb man uns unter Geschrei und Schüssen wieder die 7 km zum Lager zurück. Jeder Gefangene schleppte mindestens zwei dicke Holzscheite an einem Bindfaden über der Schulter mit, das Heizmaterial für Trockenkammer und Baracke. Sollte ein Gefangener auf dem „Weg“ stürzen, dann griff der Hintermann sofort nach den Holzscheiten, das war wichtiger als der gestürzte Mensch! Nach einem ärmlichen Abendessen (wenn überhaupt!) und dem unvermeidlichen, manchmal Stunden währenden Zählappell auf der Lagerstraße sank man völlig erschöpft auf seine Bretter und versuchte zu schlafen.